FESTIVAL: Unter dem Titel "alonetogether" finden die Donaueschinger Musiktage statt. 25 Ur- und Erstaufführungen erkunden vom 17. bis 20. Oktober das Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe in der zeitgenössischen Musik/Komposition und erobert den digitalen Raum.
In 15 Konzerten, Performances und Installationen mit 25 Ur- und Erstaufführungen widmet sich das Festival dem Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe in der zeitgenössischen Musik. "Musikalischen Aufführungen ist das Paradoxon eigen, sowohl solitär und intim wie auch gemeinschaftlich und öffentlich zu sein. Jedes Konzert schafft durch sein Format ein spezifisches Dispositiv, wie sich Musiker:innen und Publikum zu- und untereinander verhalten: musikalisch, räumlich, medial und sozial", sagt Lydia Rilling, Künstlerische Leiterin der Donaueschinger Musiktage. "Zeitgenössische Musik reagiert häufig in weniger offensichtlicher Weise auf die Welt als etwa Theater oder Bildende Kunst. Zugleich ist sie der Gegenwart deshalb nicht entfremdet. Das Verhältnis zu den Realitäten jenseits der Konzerträume kann viele künstlerische Formen annehmen. Musik kann zum Beispiel subtiler politisch agieren, indem sie modelliert oder hinterfragt, wie Menschen, Objekte und Ökosysteme einzeln oder gemeinsam funktionieren."
Musik im digitalen Raum & Klanginstallationen
Vier Kompositionen und Klanginstallationen eröffnen das lange Festivalwochenende am Donnerstag (17.10.) und sind anschließend über die Musiktage hinaus erlebbar: Mit einem online präsenten audiovisuellen Werk der Komponistin Lucia Kilger erobern die Donaueschinger Musiktage erstmals den digitalen Raum. Kilger schafft eine künstlerisch erfahrbare Reflexion der Simultaneität verschiedener digitaler Wirklichkeiten, die unsere Zeit entscheidend prägt. Robin Minards dauerhafte Klanginstallation "Kaminoyama Soundmark" verleiht im Karlsgarten Donaueschingens Partnerstadt Kaminoyama akustische Präsenz und verneigt sich vor dem japanischen Dichter Mokichi genau 100 Jahre nach dessen Besuch in Donaueschingen. Lilja María Ásmundsdóttir transformiert die Galerie im Turm in ein großes Instrument und lädt die Besucher:innen ein, mit ihren Bewegungen im Raum den klanglichen Charakter der Installation zu verändern. Elsa Biston verwandelt die Räume des Museum Art.Plus in eine dichte Landschaft aus vibrierenden und resonierenden Objekten, die einander in Klang versetzen und einen großen Organismus bilden. Die Besucher:innen können ebenso Teil dieser Klanglandschaft werden wie die Musiker:innen von United Instruments of Lucilin. Am Samstag und Sonntag werden kostenlose Führungen durch alle Klanginstallationen angeboten.
Drumset mal zehn, KI-Solist und neue Akteur:innen
Enno Poppe multipliziert ein Solo-Instrument zehnfach und macht aus einem Individuum eine Gruppe identischer Mitglieder. Die zehn Drumsets des Percussion Orchestra Cologne geben dem Publikum das Gefühl, in einem einzigen gigantischen Schlagzeug zu sitzen (18.10., 18 Uhr). Das SWR Symphonieorchester bringt gemeinsam mit IRCAM unter der Leitung von Susanne Blumenthal drei sehr unterschiedliche Konstellationen von Solist:innen und Orchester auf die Bühne: Pascale Critons Reflexion über Alterität schlägt sich in der changierenden Beziehung zwischen der Sopranistin Juliet Fraser und dem Orchester nieder. George Lewis konfrontiert den Saxophonisten Roscoe Mitchell und das Orchester mit einem KI-Solisten. Und Simon Steen-Andersen stellt dem Orchester mit Yarn/Wire eine in sich geschlossene Gruppe gegenüber - nach zehn Jahren der intensiven Arbeit mit Film und Musiktheater ganz ohne Video oder Multimedia (18.10., 20 Uhr). Bereits am Freitagnachmittag ist eine Performance zu erleben, die die Cellistin und Komponistin Séverine Ballon in Workshops gemeinsam mit in Donaueschingen lebenden Geflüchteten entwickelt hat, die damit zu aktiven Akteur:innen des Festivals werden (18.10., 16 Uhr).
Räumliche Konstellationen, Debüts und Kontrabass im Dunkeln
Unterschiedliche räumliche Konstellationen und Erfahrungen bieten mehrere Konzerte sowohl am Freitag als auch Samstag. Zu den "Mavericks" experimenteller US-amerikanischer Musik gehört der erst kürzlich verstorbene New Yorker Komponist Phill Niblock. In einer posthumen Würdigung dieses eigenwilligen Künstlers ist seine Musik mit zwei Uraufführungen erstmals in Donaueschingen zu hören (18.10., 22:30 Uhr). Erstmals als Solist bei den Musiktagen gastiert Pierre-Laurent Aimard. Mark Andre positioniert ihn im Zentrum des Publikums und entfaltet gemeinsam mit dem SWR Experimentalstudio zerbrechlichste Dimensionen des Klangs in einer Musik des Entschwindens, die dem Andenken eines Kindes gewidmet ist. (19.10., 11 und 15:30 Uhr). Zum ersten Mal beim Festival spielt das Kollektiv lovemusic aus Straßburg, geschätzt für seine gekonnt inszenierten Konzerte mit klug durchdachten Programmen. Das Ensemble bringt drei jüngere kompositorische Stimmen aus England und den USA zu Gehör: David Bird, Hann
ah Kendall und Laura Bowler, die auch selbst als Performerin auftreten wird (19.10., 11 und 15:30 Uhr). Am Abend versammelt der Kontrabassist Florentin Ginot das Publikum im Schlosspark zu einem Konzert in der Dunkelheit mit Werken für Kontrabass und Elektronik von Carola Bauckholt und Lucia Kilger (19.10., 19 und 22 Uhr), das wiederum eine andere Facette der Erfahrung von alonetogether bietet. Der Komponist und Saxophonist Roscoe Mitchell, seit Jahrzehnten einer der innovativsten Musiker und stets offen für neue künstlerische Impulse, ist nach seinem Auftritt mit dem SWR Symphonieorchester auch in einer ganz neuen Triobesetzung gemeinsam mit dem italienischen Schlagzeuger Michele Rabbia und dem Berliner Musiker Ignaz Schick zu erleben (19.10., 20:30 Uhr). Das britische Duo Rubbish Music schließlich folgt mit Klang den Geschichten, Verwandlungen und Auswirkungen unserer weggeworfenen Objekte (19.10., 23 Uhr).
Drängende Probleme, ungezähmte Emotionen, Kindheitserfahrungen
Im Konzert des SWR Vokalensembles und des SWR Experimentalstudios unter der Leitung von Yuval Weinberg kommen ästhetisch sehr unterschiedliche Werke von Claudia Jane Scroccaro, Franck Bedrossian und Michael Finnissy zur Uraufführung, die alle auf ihre Weise künstlerisch unmittelbar auf (be)drängende Probleme und Erfahrungen unserer Gegenwart reagieren (20.10., 11 Uhr). Das Abschlusskonzert mit dem SWR Symphonieorchester, dirigiert von Vimbayi Kaziboni, verbindet ungezähmte Emotionen mit akustischen Kindheitserfahrungen: Francisco Alvarado lässt sich von analogen Kassetten anregen, deren Abspielen eigene Klänge erzeugt. Sara Glojnaric; komponiert eine kollektive Feier von Queer Joy. Und bei Chaya Czernowin übermitteln die sechs Stimmen der Neuen Vocalsolisten wilde Empfindungen, die aus der Tiefe der Körper mit all ihren unkontrollierbaren Gefühlen, Erfahrungen und Erinnerungen entspringen (20.10., 17 Uhr).
Rahmenprogramm
Ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt die vielfältigen Veranstaltungen der Donaueschinger Musiktage: Es gibt Künstler:innengespräche, Führungen durch alle Klanginstallationen, Workshops für Schüler:innen des Fürstenberg-Gymnasiums und der Realschule, das Programm "Next Generation" für Studierende, das Seminar "Abenteuer Neue Musik" für Lehrende und Studierende sowie die Noten- und Buchausstellung und ein Europäisches Netzwerktreffen. Zudem wird der Film "Stehende Wellen" über die Entstehung des Orchesterwerks "Occam Océan Cinquanta" von Éliane Radigue und Carol Robinson zwei Mal im guckloch Kino zu sehen sein.
INFO:Do 17. bis So 20.10., Kartenvorverkauf: bei littleticket.shop, über die Tickethotline 0221 91409830 und in der Tourist-Information in Donaueschingen. Das Kulturamt der Stadt Donaueschingen verschickt die Programmbroschüre auf Anfrage (Tel. 0771 857 266, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).