UKRAINE: Frieden ist möglich, wenn man ihn will!

UKRAINE: Frieden ist möglich, wenn man ihn will!

UKRAINE: Seit 40 Tagen ist Krieg, jeder Kriegtag ist einer zu viel. Die Kriegsbilder sind schrecklich und schmerzhaft, aber nicht schrecklicher als jene aus den Kriegen in den Vorjahren. (2021: über 200 gewaltsame Konflikte; 20 Kriege weltweit)

Über diese Kriege wurde aber nicht täglich berichtet. Da wurde weggesehen, obwohl es auch um Menschen ging, aber nicht um die geopolitisch wichtige Ukraine. (1) Am 3.4.22 sollen russischen Truppen im Vorort Butscha bei Kiew verstörende Beweise ihrer Gräueltaten an der Zivilbevölkerung hinterlassen haben. Geborgen wurden 410 Leichen, in der Region Kiew und nicht nur in Butscha, wie zuerst behauptet wurde! Festgestellt wurde das nicht von neutralen Beobachtern, sondern von der Kriegspartei. Auch über die Todesursachen liegen keine Erkenntnisse vor.

Wahrheit hat mehrere Seiten
Obwohl man noch nichts Genaues weiß, legen die „Meinungsmacher“ umgehend los. Außenministerin Baerbock spricht gleich von „russischen Kriegsverbrechen“, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von einer "Brutalität gegen Zivilisten“, Selenskij wirft Russland "Völkermord“ vor und die ganze Gemeinde der Gutmenschen ist entsetzt. Nicht entsetzt waren sie über die Toten im Irak Krieg. Schätzungen reichen dort von 100.000 Toten bis hin zu mehr als einer Million ziviler Opfer zwischen 2003 und 2011 durch US-Kampftruppen. Das eine entschuldigt nicht das andere – aber es geht um Wahrheit in diesem grausamen Krieg und die hat mehrere Seiten. Das russische Verteidigungsministerium dementierte die unterstellten Taten umgehend, alle russischen Einheiten hätten Butscha am 30. März verlassen, meldete Interfax. Also abwarten! Die Schuldigen und die Umstände sind noch nicht ermittelt. Da keine internationale und unabhängige Untersuchungskommission tätig ist, werden Zweifel an den Ergebnissen aber bleiben.

Keine Idee ist es aber wert, dass Menschen dafür geopfert werden!
Die gesamte Situation ist zum verzweifeln und viele Menschen entwickeln aus dieser Lage heraus Wut- und Hassgefühle, vorwiegend gegen Russland - aber auch gegen die Ukraine. Wut oder Hass sind aber nicht zielführend und ein schlechter Ratgeber, wenn man Frieden will. Waffenlieferungen und Sanktionen auch nicht. (2)

Die meisten Medien sehen die Ursache des Krieges in der Person Putins. „Die übliche Geschichte ist, dass er in paranoiden Fantasien gefangen ist, allein handelt und von kriecherischen Höflingen umgeben ist...“ (3). Das alles ist falsch – eine schlechte historische Erklärung. Russland hat ganz reale Gründe für den Angriff, „die Krise hat sich seit 25 Jahren zusammengebraut, da die USA die russischen Sicherheitsbedenken, insbesondere ihre klaren roten Linien, verächtlich zurückgewiesen haben: Georgien und vor allem die Ukraine.“ (3) Diese Gründe sind aber keine Entschuldigung für Putins Verbrechen. Aber - „Wenn wir auf die Tragödie so reagieren wollen, dass wir den Opfern helfen und noch schlimmere Katastrophen abwenden können, ist es klug und notwendig, so viel wie möglich darüber zu erfahren, was schief gelaufen ist und wie der Verlauf hätte korrigiert werden können. Heroische Gesten mögen befriedigend sein. Sie sind aber nicht hilfreich.“ (3)

Ein wesentlicher Aspekt des Krieges wird i.d.R nicht aufgedeckt. Gezeigt werden grausame Kriegsbilder und es gibt einseitige Schuldzuweisungen, aber es fehlt der Hinweis, dass der Krieg und das Töten der Menschen letztlich eine Entscheidung ist, die auf bestimmten Wertsetzungen beruht. Mit der Fortsetzung des Krieges stellt der Angreifer wie auch der Angegriffene Ideen, geopolitische Interessen u.ä. über das einmalige und wertvolle menschliche Leben und opfert dafür Menschen! Keine Idee ist es aber wert, dass Menschen dafür geopfert werden! (Karl Popper) Die Kriegsfortsetzung in der Rolle des Angegriffenen ist daher, ebenso wie der Angriff des Aggressors, ein Verbrechen - Massenmord. Im Krieg wird der Mörder aber immer nur auf der anderen Seite gesehen.

"Es wird keine Kapitulation, kein Niederlegen der Waffen geben", sagte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk der "Ukrajinska Prawda" am frühen Montagmorgen. (21.3.22) Wie in jedem Krieg bestimmen die Machthaber vom sicheren Ort aus, was zu tun ist. Den Kopf halten die Menschen vor Ort in Mariupol hin. Der Widerstand dort ist nicht freiwillig. Wehrfähige Männer mit der ukrainischen Staatsbürgerschaft zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen. Kampfunwilligen droht die Liquitierung ohne Gerichtsurteil. So werden Menschen gegen ihren Willen in einem aussichtslosen Krieg weiter verheizt. Ich denke, dass sich viele Ukrainer nach einem Ende der Kämpfe sehnen und vernünftiger Weise aufgeben wollen. Dann würde später in den Geschichtsbüchern nicht stehen: „Die tollkühnen und mutigen Ukrainer kämpften bis zum letzten Blutstropfen und bis ihr Land in Schutt und Asche lag. Ihre Opferbereitschaft war grenzenlos.“
Profiteure des Krieges sind wie immer die Waffenproduzenten (Lockheed Martin, Boeing, Northrup Grumman, General Dynamics, Airbus, Almas Antei u.w.). Mit den Waffenlieferungen steigen Umsätze, Aktienkurse und Renditen in noch nie dagewesenen Höhen. (4)
Wie lange die Ukraine weiter kämpft („bis zum letzten Blutstropfen“) ist Sache der Ukrainer. Unsere Sache ist es zu deeskalieren und keine Maßnahmen zu ergreifen, die unseren eigenen existentiellen Interessen widersprechen.

Frieden ist möglich – wenn man will!

Glücklicherweise gab es wieder Friedensverhandlungen in der Türkei. Es gibt Vorschläge, die den Krieg beenden könnten, die in Teilen aber schon im Dezember 2021 auf dem Tisch lagen und von den USA vom Tisch gewischt wurden. Jetzt steht auf der Agenda wieder „Eine neutrale Ukraine nach österreichischem Vorbild, eine Art Föderalismus im Sinne von Minsk II. Das ist jetzt viel schwieriger zu erreichen. Und – notwendigerweise – mit einer Hintertür für Putin, sonst wird es für die Ukraine und alle anderen noch schlimmer, vielleicht fast unvorstellbar schlimm.“ (3+5)

Kaum sind Friedenspläne auf dem Tisch, da melden sich schon die Kriegstreiber und Kriegsverlängerer zu Wort. In Deutschland ganz vorn Norbert Röttgen (CDU). Er spricht Russland die Ernsthaftigkeit bei den Verhandlungen ab, Russland wolle keinen Frieden. Die Verhandlungen sind nur ein „taktisches Manöver“ mit dem gezeigt werden soll, dass Russland den Frieden will. Für Röttgen steht fest – der Krieg wird noch lange dauern, er dauert solange bis Putin gestürzt ist. Saubermann Röttgen weist vorsorglich jegliche Regime-Change Ambitionen des Westen zurück – aber darauf hofft er ja! Und letztlich ist das ja auch die Hoffnung, die mit den westlichen Sanktionen verbunden ist.
In diese Richtung ging auch, die zwar umgehend dementierte Rede des amerikanischen Präsidenten Joe Biden am 27.3.22 in Warschau: Russlands Präsident Wladimir Putin sei ein "Schlächter", "Kriegsverbrecher" und "mörderischer Diktator" und "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben." Das ist die alte amerikanische Rolle im Welttheater. Amerika sagt wer die Macht haben darf und tauscht nach amerikanischem Interesse Führungen aus.
Röttgens Strategie, die starr und fanatisch darauf setzt, dass es erst dann Frieden geben kann, wenn Putin vernichtet ist, ist ein Konzept, das den Tod von weiteren Menschen in Kauf nimmt, obwohl Frieden möglich wäre, wenn man Russland entgegen käme. Sicher, dabei gibt es keine 100 Prozent Garantie dafür, dass Putin ein zuverlässiger Verhandlungspartner ist, aber man muss es im Interesse der Menschen zumindest versuchen. Erst dann wissen wir wie Putin tickt. (Röttgens Prognosen sind im übrigen wenig wert – 2009 prophezeite er in seinem Buch noch - „Deutschlands beste Jahre kommen noch: Warum wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen.“ - und wo sind sie nun die guten Jahre?)

Verantwortlich für die Kriegsfortsetzung ist nicht nur Russland, sondern auch die Ukraine, solange sie weiter kämpfen will „bis zum letzten Blutstropfen“ bzw. bis alles platt ist – und für was? Für Freiheit? Für die Krim? Für die Separatisten Republiken Donezk und Lugansk? „Wir wollen nicht in Unfreiheit leben. Wenn Putin uns geschluckt hat (...) wird er die nächsten Länder schlucken.“ zitiert Marieluise Beck vom Zentrum Liberale Moderne die ukrainische Position. Auch Beck gehört zu jener Gruppe, die Friedensverhandlungen nicht unterstützen. Denn auch sie meint „Putin führt die Verhandlungen nur, um seine Truppen neu aufzustellen.“ und „Putin wird sich mit erreichtem nicht zufrieden geben.“ (Welt Interview in Kiew, 30.3.22)

"Ein Ziel ist ja die Ukraine zu einem Vasallenstaat zu machen" behauptete die ZDF moma Moderatorin Mirjam Meinhardt. Nur - in den bisherigen Friedens-Verhandlungen geht es um eine souveräne und neutrale Ukraine mit internationalen Sicherheitsgarantien. Diese Idee eines "russischen Vasallenstaates" ist wieder einmal ein Beispiel für die Desinformationspolitik wie sie von vielen Medien absichtlich oder aus Unwissenheit praktiziert wird und die Friedensverhandlungen erschweren.
Abenteuerlich und inhuman sind Spekulationen wie sie z.B. Militärexpertin Florence Gaub anstellt: "Die Ukraine kann den Krieg gewinnen" (Die Zeit, 30.3.22) Was soll das für ein Sieg sein, wenn es wochenlang so weiter geht? Sollte sie als Expertin nicht wissen, dass im Krieg nur Schlachten gewonnen werden, dass aber alle den Krieg verlieren.

Diese Hetzer, die das Kriegsmesser immer wieder wetzen gibt es auch auf russischer Seite. „Es wird von uns keine Eingeständnisse geben“, versicherte Kadyrow (Herrscher der Republik Tschetschenien) in seiner Botschaft. Der russische Unterhändler Medinski habe „die falsche Formulierung“ verwendet und sein Appell an tschetschenische Milizen: „Wir müssen beenden, was wir angefangen haben.“

Die Folgen dieser Einstellungen sind klar. Der Krieg wird verlängert, menschliches Leid und Zerstörung werden fortgeschrieben. Es gibt eigentlich nur einen Weg mit dem der Krieg schnell beendet werden kann. Keine weiteren Waffenlieferungen, einseitige Einstellung der Kampfhandlungen, eine internationale Friedens-Konferenz. So kann die Gewaltspirale „Aggression – Bestrafung – Aggression usw.“ unterbrochen werden.
Lasst Putin doch "siegen" und verhandelt endlich über eine neutrale und souveräne Ukraine mit Sicherheitsgarantien. Inzwischen wissen doch alle Staaten der Erde (selbst die USA), das man zwar Schlachten gewinnen kann, aber keinen Krieg. Heute sind eroberte Länder für den Angreifer dauerhaft nicht regierbar. Das weiß auch Putin. Daher geht auch verhandeln und schenkt ihm endlich die Krim, dass wieder Frieden ist. Das setzt aber auf allen Seiten Bereitschaft zum verhandeln voraus und auch Verzicht auf eigene Interessen! Russlands Verantwortung als Akteur und Angreifer in diesem Krieg bleibt davon unberührt.

Anmerkungen:
1) Moskau wirft Kiew vor, auf Anweisung Washingtons zu handeln. Kiew verzögere absichtlich Friedensverhandlungen. So abwegig ist das nicht, wenn man sich vergegenwärtigt was Zbigniew Brzezinski (Berater etlicher US-Präsidenten) 1997 in seinem Buch - „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ schreibt:
Nach dem Zerfall der Sowjetunion konnten die USA russische Vermögenswerte in Höhe von 300 Miliarden Dollar an sich bringen und damit die Währung destabilisieren, dem geschwächten Russland blieb nichts anderes übrig als sein wirtschaftliches und politisches Heil in Europa zu suchen. Regionale Kriege sind für Brzezinski lediglich der Beginn eines letzten großen Konflikts, der dazu führt, dass sich nationalstaatliche Regierungen auflösen und die USA in der Welt die Vorherrschaft übernehmen. „Die obersten Gebote einer imperialen Geostrategie lauten, erstens konspirative Aktivitäten in den Vasallenstaaten zu unterbinden und diese in sicherheitspolitischer Abhängigkeit zu halten, sich zweitens den Gehorsam der tributpflichtigen Staaten zu sichern und ihnen Schutz zu gewähren...“ (zitiert aus: John Pilger. Verdeckte Ziele. Über den modernen Imperialismus, Frankfurt, 2004, S. 35-36)
Ein Hinweis auf Verbindungen der USA zur Ukraine gab es schon früh durch Bidens Sohn. Im Mai 2014 gab der größte private Gasproduzent in der Ukraine, Burisma Holdings, bekannt, den Verwaltungsrat mit Hunter Biden zu erweitern. Die Ernennung des Sohnes des damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden in den Vorstand von Burisma sorgte weltweit für Aufsehen. Diese Ernennung wurde im Rahmen der gleichzeitig grassierenden Krise in der Ukraine kritisiert, in der die russische Staatsführung der US-Regierung und damit auch Bidens Vater vorwarf, Drahtzieher der politischen Verwerfungen in der Ukraine zu sein. Gegen Hunter Biden wird wegen Korruption und Steuervergehen im Ausland ermittelt. (Zitiert aus Wikipedia, Hunter Biden)

2) Bisher hat sich gezeigt, dass keine der Sanktionen den Kriegsverlauf verändert hat und die Annahme, das nun Sanktionen im Energiesektor wirksam werden könnten, ist ebenfalls mit mehreren Fragezeichen zu versehen. Man darf doch nicht vergessen, dass Russland als autoritär verfasstes System, ganz andere innenpolitische und wirtschaftliche Steuerungsmöglichkeiten hat, als eine Demokratie. Dort kann man anders mit der Notenpresse, der Inflation u.w. umgehen. D.h. Russland würde auch Sanktionen im Energiesektor über eine längere Zeit per Notverordnungen etc. aushalten und Waffeneinkauf von außen braucht Russland ebenfalls nicht. Alle Sanktionen haben keinen Einfluss auf den Kriegsverlauf, sie werden dann wirken, wenn der Krieg beendet ist. Dann haben wir ein zerstörtes Russland und eine Ukraine die in Schutt und Asche liegt. Deutschland, Bulgarien, Finnland, Spanien und Frankreich (?) lehnen daher zu recht einen sofortigen Stopp der Energieimporte ab.
Makroökonomischen Prognosen sind im gegenwärtigen internationalen System und vor allem vor dem Hintergrund der Sanktionspolitik mit höchster Vorsicht aufzunehmen und sie sind auch wenig seriös. Ob Deutschland mit einem Wachstum-Minus von 3 % wegkommen würde, ist eine höchst spekulative Aussage, auf die man sich nicht einlassen sollte. Trotz Krieg gibt es nicht nur ukrainische Interessen, sondern auch europäische und deutsche Interessen. Und riskante Spielchen sollte man lassen. Manchmal hat man den Eindruck, dass es einigen Akteuren darum geht, die innenpolitische Stabilität und wirtschaftliche Stärke Deutschlands zu zerstören.

3) Noam Chomsky im Interview mit C.J. Polychroniou für Truthout am 18.03.22

4) Zum Nachdenken: Auf der Rangliste der acht umsatzstärksten Rüstungsunternehmen der Welt belegen US-amerikanische Firmen die Plätze eins bis fünf. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Zusammengerechnet erwirtschaften diese Unternehmen rund drei Viertel des gesamten Umsatzes der Top-8-Unternehmen. Würde es Waffenlieferungen auch geben, wenn man nichts daran verdienen würde?

5) Kern der Ukraine Friedens-Verhandlungen in der Türkei am Dienstag (29. März): Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba twitterte: „Die ukrainische Position ist klar: Waffenstillstand, Sicherheitsgarantien, keine Kompromisse bei der territorialen Integrität. Aber Russland hält an Ultimaten fest.“ Kuleba fordert erneut mehr Sanktionen und mehr Militärhilfe. Moskau fordert einen Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft sowie die Anerkennung der abtrünnigen ostukrainischen Separatistengebiete als eigene Staaten und der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als Teil Russlands.

 

 

 

 


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