Harte Drogen in Freiburg - Comeback der Christiane F.*

Harte Drogen in Freiburg - Comeback der Christiane F.*

GESELLSCHAFT: Harte Drogen – lange medial verschwunden, nun sind sie wieder da. Der jüngste Herointod einer 13-Jährigen in Freiburg lässt aufmerken. Der Tod eines Teenys erinnert uns an ein altes, vergessenes, aber immer noch vorhandenes Problem – Drogensucht.

Christiane* Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 1981. Der Film zeigt eindrucksvoll und ergreifend die wahre Geschichte der Christiane F., basierend auf den Tonbandprotokollen der damals 15-jährigen im Gespräch mit den Stern-Reportern Kai Hermann und Horst Rieck. Der Film endet mit ihrer Aussage, dass sie nun seit eineinhalb Jahren clean sei. Das Schicksal von Detlef ist jedoch ungewiss. Im Abspann ist zu lesen, dass Atze und Axel noch im selben Jahr an ihrer Drogensucht gestorben sind. (DVD Cover von https://www.weltbild.de)

Das Thema schien nicht mehr zu existieren, umso mehr schockiert dieser Fall. Eine 13-Jährige Schülerin ist das erste minderjährige Drogenopfer seit Jahrzehnten im Bereich des Polizeipräsidiums Freiburg. Der Konsum harter Drogen ist in diesem Alter eigentlich selten, komme aber zunehmend vor, wie Christoph Weber von der Freiburger Drogenhilfe in der örtlichen Tageszeitung bestätigte. Dass Heroin schon bei Kindern eine Rolle spiele und intravenös gespritzt werde, sei eine „relativ neue Entwicklung“.
Sorgen bereitet Beschäftigten in der Suchthilfe, dass mittlerweile schon Elf- oder Zwölfjährige, mit Drogen in Kontakt kommen. Besonders gefährlich ist in dieser Altersgruppe der Mischkonsum mit anderen Drogen, der auch im Fall des verstorbenen Mädchens wohl eine Rolle spielte. Nach Aussagen der Polizei bewegte sich die 13-jährige Schülerin in einer größeren, heterogenen und losen Gruppe mit Menschen im Alter von 14-22 Jahren.
Doch auch andere Stoffe fordern ihre Opfer. Zuletzt verstarb im Jahr 2020 zum ersten Mal in Baden-Württemberg ein Kind, ein 13-jähriger Junge an einer Überdosis von Ecstasy, welches zuvor von Jugendlichen im Darknet erworben und ihm zum Konsum übergeben wurde. (1)

Lebensretter Naloxon

Mit 10 Drogentoten (2020) belegt der Stadtkreis Freiburg in Baden-Württemberg nach Stuttgart (15 Tote) einen Spitzenplatz. Geschätzt mit hohem Dunkelfeld gibt es in Freiburg ca. 620-740 Konsumenten harter Drogen. (2) Nach wie vor ist der Konsum von Opioiden die häufigste Todesursache. Hier gibt es ein lebensrettendes Hilfsmittel. Das Notfallmedikament Naloxon (Nasenspray), kann durch Laien eingesetzt werden, um bei einer Opioidüberdosis Leben zu retten. Es wird aktuell in 18 Städten im Rahmen von Notfallschulungen an Drogenkonsumierende vergeben. (3) Sollte Freiburg nicht dabei sein, dann wäre es höchste Zeit in dieser Richtung ebenfalls aktiv zu werden.

Einiges im Umgang mit Drogensucht hat sich in den letzten Jahren positiv geändert. Noch in den 90er Jahren gab es in Freiburg keine Methadon-Substitution, keine nennenswerte Präventionsarbeit, keine sauberen Kontakt-Räume, um sich zu spritzen, Informationskampagnen u.v.m. fehlten. Inzwischen gibt es das alles und einiges mehr, aber nach wie vor gibt es die Sucht und Drogentote. Was fehlt sind geeignete Therapieplätze in ausreichender Zahl. Die fehlen auch im Bereich der Psychotherapie. Es darf nicht sein, dass ein Mensch der an einer Depression leidet mehrere Monate auf eine Therapie warten muss, das muss sich schnellstens ändern.

Dass der Handlungsbedarf wieder wächst, zeigt ein Blick in die aktuelle Kriminalstatistik. 2021 hat die Polizei im Stadtkreis Freiburg 2126 Fälle von Rauschgiftkriminalität erfasst, 100 mehr als 2020. Der Kampf gegen die Drogen „hat absolute Priorität“, sagt Polizeivizepräsident Matthias Zeiser. Das Präventionsangebot, an Schulen, wurde verdoppelt, und der Fahndungsdruck erhöht. „Wir dulden keinen Handel in der Öffentlichkeit.“ Durch das zerschlagen des Handels und Sicherstellung der Drogen, soll deren Verfügbarkeit reduziert werden.

Um der aktuellen Situation gerecht zu werden sind präventive Stellen (Drogenhilfe, die Streetworker, die Mitarbeiter der Straßenschule, Jugendhilfe) in verstärkter Bereitschaft. Denn - "Wichtig ist es, die Konsumenten so früh wie möglich zu erreichen und mit ihnen im Gespräch zu bleiben." sagt Christoph Weber von der Freiburger Drogenhilfe.

TIPPS für Eltern

Viele Kinder und Jugendliche probieren aus Neugier Drogen aus. Das muss nicht zur Sucht führen, aber wenn Alkohol, Ecstasy, Legal Highs oder Marihuana zum Alltag gehören, dann wird es unter Umständen gefährlich. Für Eltern ist es oft schwierig, einen regelmäßigen Drogenkonsum bei ihren Kindern zu erkennen, oft denkt man das ist vielleicht pubertäres Verhalten. Folgende Signale sollte man ernst nehmen sollten und sich Hilfe holen.

Wenn ihr Kind Veränderungen zeigt:
Wesensveränderungen, starke Stimmungsschwankungen, aggressives/unruhiges oder depressives Verhalten. Unruhe/Zittern kann ein Entzugssymptom sein.
Verhaltensveränderungen: Das Kind kann sich nicht mehr konzentrieren, wirkt apathisch und unmotiviert. Schwindendes Interesse an gemeinsamen Familienaktivitäten oder Hobbys. Völlig neuer Freundeskreis.
Gesundheit: Ungesundes Aussehen, Müdigkeit/Erschöpfung, Schlafstörungen, Kreislaufproblemen.
Geldprobleme: Taschengeld reicht nicht mehr, es kommen Dinge/Geld weg.

Empfehlenswerter Umgang bei Auffälligkeiten:
Angemessen reagieren, keine Panik oder Aufregung. Wichtig ist ein gutes Vertrauensverhältnis zum Kind zu schaffen bzw. zu erhalten. Kontraproduktiv sind Schnüffeleien, Umgang mit neuen Freunden zu verbieten. Veränderungen, die man auffällig findet, sollte man besprechen, ohne Vorwürfe zu machen. Gemeinsame Lösungen finden und Hilfe anbieten.
Ehrlich, ohne zu verharmlosen über den Drogenkonsum sprechen! Keine Entschuldigungen für die Schule oder die Ausbildung schreiben, wenn das Kind wegen seines Konsums nicht arbeiten kann. Das Kind muss Verantwortung für sein Handeln übernehmen.
Ist das Kind schon länger süchtig, dann ist ein erzwingen einer Therapie nutzlos! Das Kind muss den Entzug selbst wollen!

Aufsuchen einer Beratungsstelle:
Der Umgang mit einem Kind, das Drogen konsumiert, kann sehr belastend für die ganze Familie sein. Hilfreich ist daher sich Rat bei einer Beratungsstelle einzuholen, in Freiburg:

Suchtberatung Freiburg. Oberau 23, 79102 Freiburg, Tel. 07 61-20 76 20, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Drogenhilfe Freiburg. Faulerstraße 8, 79098 Freiburg, Tel.0761-33511, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Ein grundsätzliches Dilemma - „Therapieunwillige“

Bei jeder Sucht gibt einen Grundsachverhalt: Der/die Süchtige sieht lange Zeit kein Problem für sich („Ich habe alles im Griff“). Seine Angehörigen, Freunde etc. erkennen seine Abhängigkeit, seine Veränderung, den Kontrollverlust und die Gefahr in der er sich befindet. Der/die Abhängige ist nicht in der Lage „objektiv“ zu erfassen wo sie steht, hat keine Einsicht in ihr Suchtverhalten und will daher auch in keine „Entzugsklinik“. Diese Situation ist für Angehörige schwer zu ertragen, denn es gibt erst mal keine Lösung. Und einen schnellen Weg gibt es, auch wenn Therapieplätze vorhanden wären, auch nicht. Denn – ein Konsens in der Suchttherapie ist, dass nur eine freiwillige Therapie Aussicht auf Erfolg hat. Manchmal muss man abwarten, bis der „Leidensdruck“ und daraus folgend die Einsicht so groß ist, dass der/die Abhängige therapiebereit ist.

Rechtlich ist bei Minderjährigen, wie auch bei Erwachsenen zwar eine Zwangseinweisung in eine geschlossene Einrichtung möglich, wenn ein psychiatrisches Gutachten, eine erhebliche Selbstgefährdung attestiert und eine Anordnung durch das Familiengericht erfolgt. Aber letztlich besteht Aussicht auf Erfolg nur, wenn die Jugendlichen selbst mitziehen wollen. Auch Christoph Weber von der Drogenhilfe Freiburg sieht Zwangseinweisungen kritisch, denn Zwang zerstöre die Beziehung von Kindern und Eltern endgültig. So bitter es ist, aber oft kann man nur hilflos zuschauen und hoffen, dass es gut geht.

Eine Grundfrage bleibt: Warum nehmen Kinder harte Drogen? Was stimmt da eigentlich nicht – im Elternhaus, der Kita, der Schule, der Gesellschaft – im ganzen Leben?

Redaktion: Günter Lorenz

1) Drogenbilanz 2020 in Baden-Württemberg v. 22.3.2021, Innenministerium Bad.-Württemberg.
2) Bestandserhebung und Entwicklungsbedarf der Freiburger Suchthilfe, Band 12, 2000.
3) PM Reitox-Bericht 2021

Rausch & Raus - Die Offene Drogenszene in Freiburg

 

Film von uniCross Freiburg - empfohlen von der Drogenhilfe Freiburg.
Im Colombi-Park befindet sich ein Treffpunkt der Offenen Drogenszene in Freiburg - der Käfig, wie er von den Drogenkonsumierenden genannt wird. Wer drogensüchtig ist, erlebt oft soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung. Hinter Drogensucht liegt oft ein steiniger Weg mit unterschiedlichen Schicksalen. Wir haben uns die Geschichten von einigen Konsumenten angehört. Außerdem besuchen wir den Kontaktladen der Drogenhilfe Freiburg und begleiten die Sozialarbeiter*innen Selina und Marc bei der Arbeit.


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